Zunächst möchte ich betonen, dass ich als Systemikerin grundsätzlich von der Wirksamkeit und Effektivität des systemischen Ansatzes überzeugt bin. Ich bin leidenschaftliche Systemikerin durch und durch. Insbesondere die Fokussierung auf Ressourcen und Stärken der Klient*innen, anstatt ausschließlich auf Probleme und Defizite zu blicken, hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen.
Doch in letzter Zeit muss ich der Systemik widersprechen: Sie ist mir phasenweise zu lösungs- und ressourcenorientiert.
Es gibt Zeiten, in denen alles schwierig und unübersichtlich ist und in denen Lösungen nicht sofort ersichtlich sind. In solchen Momenten kann es für die Klient*innen und auch für mich als Therapeutin verlockend sein, schnell nach Lösungen zu suchen, um das Unbehagen zu lindern.
Doch kommen wir damit nicht auf ein gesamtgesellschaftliches Thema zu sprechen? Nämlich dem, uns selbst und anderen gegenüber einen enormen Druck auszuüben, stets effizient und produktiv zu sein.
In unserer Gesellschaft wird Erfolg oft mit Produktivität und Effizienz gleichgesetzt. Es wird erwartet, dass wir jederzeit unsere Arbeit schnell und fehlerfrei erledigen, unsere Ziele konsequent verfolgen und im Leben vorankommen. Diese Mentalität führt dazu, dass wir unsere Emotionen unterdrücken oder ihnen nicht genügend Raum geben. Emotionen werden oft als störend und unproduktiv betrachtet und es wird angenommen, dass sie uns von unseren Zielen abbringen.
Dieses Denken ist jedoch problematisch, da Emotionen Teil unseres menschlichen Seins sind und uns dabei helfen, unsere Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen. Wenn wir unsere Emotionen ignorieren oder unterdrücken, können sie uns innerlich belasten und möglicherweise zu körperlichen oder psychischen Erkrankungen führen.
Zu schnell verfallen wir als professionelle Systemiker*innen in die Haltung, immer wieder zu reflektieren, neue Perspektiven aufzuzeigen oder Ressourcen hervorzuheben. Das mag in manchen Fällen eine hilfreiche Methode sein, um den Klient*innen neue Wege aufzuzeigen, kann jedoch auch zu einer Distanz der eigentlichen Themen und Problemen führen.
Zudem liegt der Fokus somit sehr auf der Handlungsebene und die zugrundeliegenden emotionalen Prozesse werden nicht ausreichend berücksichtigt. Klient*innen unterdrücken oder ignorieren Emotionen, um schnellstmöglich zu einer Lösung zu gelangen.
In unserem hektischen Alltag und unserer schnelllebigen Gesellschaft ist es oft schwer, Raum für Emotionen zu schaffen und diese zuzulassen.
Gerade wir als professionelle Systemiker*innen sollten eine Raum schaffen, in dem Emotionen willkommen sind und nicht als störend oder unnütz betrachtet werden.
Wir sollten Sorge dafür tragen, dass unsere Klient*innen die Chance haben, sich auch mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen und eine gesunde Haltung zu diesen zu entwickeln.
Wie siehst du das? Hinterlass es uns gern in den Kommentaren – wir sind gespannt!
In meiner Erfahrung sind Emotionen die Basis, auf der effizient gearbeitet werden kann. Werden sie beiseite geschoben oder erstickt, leidet die Konzentration und Fehler häufen sich, da sie niemals komplett ausgeklammert werden können. Ausgeglichenheit jedoch erfordert die Wahrnehmung der eigenen Emotionen und deren Quelle, ob missachtete Bedürfnisse oder Freude durch Tätigkeiten. Nur wenn Emotionen einen Raum bekommen, können sie beflügeln, anstatt zu bremsen. Was einen Menschen von einer Maschine unterscheidet, über simple Erfüllung an einer Liste von Aufgaben hinaus zu gehen, kann nur mit ihnen erreicht werden, nicht gegen sie.
Liebe Diana,
vielen Dank für deine tolle Ergänzung, die die Wichtigkeit der Emotionen in Beratung- bzw. Therapiesettings noch einmal unterstreicht!