Zur systemischen Entwicklung in Ostdeutschland

„Dann haben Sie wohl Ihren Titel auch nur wegen Ihrer Parteizugehörigkeit!“

„In der Abschlussrunde [eines Weiterbildungs-Seminars Anfang der 90er Jahre] sagte ein Kollege: ‚Ich hätte nicht geglaubt, dass die Menschen aus Sachsen auch einen Kopf zum Denken haben’“.

Diese Sätze zitiert Brigitte (Gitte) Pfefferkorn in der neuesten Folge des Interview-Podcasts ‚Pionierinnen der Systemik‘ , welche heute veröffentlicht wurde (Hier geht es zum Interview).

Auch wenn ich (westdeutsche Frau), weiß, dass es ostdeutsche Diskriminierung gab und gibt, hörte ich diese Sätze mit Fassungslosigkeit.

Brigitte Pfefferkorn spricht in ihrem Interview mit Anne Gemeinhardt sehr eindrücklich von dem „Gegenwind“, der ihr nach der Wende entgegenkam und dem sie sich erfolgreich gestellt hat. So reist Sie mit uns über 30 Jahre zurück und berichtet über ihren systemischen Werdegang. Sie inspiriert mit ihrer Unbeugsamkeit und damit, wie sie sich nichts „überstülpen“ ließ. Wir begegnen einer Frau, die insbesondere Frauen* inspirieren und ermutigen kann, den eigenen Weg zu gehen und sich nicht davon abbringen zu lassen.

Mich hat es sehr nachdenklich gemacht, was Gitte über ihre Erfahrungen berichtet. Wo doch gerade Systemiker*innen immer wieder von sich behaupten, offen und wertfrei auf Menschen und deren Biografien zuzugehen. Mich beschäftigen dabei viele Fragen. Unter anderem frage ich mich, ob und wie dies noch heute auch in den systemischen Verbänden nachwirkt. Mittlerweile gibt es zahlreiche systemische Weiterbildungsinstitute in Ostdeutschland.

  • Ist Ost-West noch ein Thema in der systemischen Welt?
  • Haben wir versäumt, etwas miteinander auszuhandeln?
  • Gibt es Tabus? Gibt es unbearbeitete Kränkungen?
  • Gibt es überhaupt Räume für einen Austausch über unsere getrennte und gemeinsame Geschichte?
  • Ist es gewünscht, darüber ins Gespräch zu kommen?
  • Wie begehen die systemischen Verbände den 03. Oktober 2025?
  • Die DGSF e. V. wird am 04. Oktober ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. Wird der 35. Jahrestag der Vereinigung von DDR und BRD Thema sein?

Nicht zuletzt stellen sich mir in der Auseinandersetzung immer wieder grundlegende Fragen zu Sprache, Benennungen und Zuschreibungen. Sprache schafft immer auch Wirklichkeit. Was ist 35 Jahre nach der Wende eigentlich eine passende, angemessene Wortzuweisung für das Gebiet der ehemaligen DDR? Wie benennen Menschen, die heute dort leben ihre regionale Zugehörigkeit(en)? Wie tun dies Menschen, die in den Bundesländern der BRD von vor 1990 leben? Ist „Ostdeutschland“ eine westlich geprägte Wortwahl mit impliziten Zuschreibungen?

Ich würde mich freuen, wenn ihr euch das Interview anhört und Kommentare zu meinen Fragen hinterlasst.

Tanja Kuhnert

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